Finnland 2.0

Samstag, 5.1.19
Pipiwetter in der Pfalz - genau der richtige Zeitpunkt, um zu verschwinden und den Nord-Virus ordentlich zu füttern! Die Kinder und der Hund machen eine Woche Ferien bei den Großeltern und der Flughafentransfer holt uns pünktlich ab. Diesmal läuft alles - im Gegensatz zum letztjährigen Autobahnkrimi - sehr entspannt. Nur bei der Zwischenlandung in Helsinki müssen wir uns etwas beeilen, da sich unser erster Flug verspätet hat. Endlich in Kittilä bei -15 Grad angekommen, haben wir den ganzen Bus für uns alleine und kommen um halb acht im Hotel Seita in Äkäslompolo an. Gleich treffen wir auf weitere Wiederholungstäter (= Gäste aus dem letzten Jahr), irgendwie ist es wie eine Art "Heimkommen", so gemütlich ist es hier. Wir genießen das gute Essen vom Buffet, bevor wir unser Gepäck mit dem Schlitten in unser Blockhäuschen ziehen. Herrlich ist es hier, die rote Hütte zwischen den verschneiten Bäumen im Wäldchen... wir sind da!!!

 

Sonntag, 6.1.19
Nach einer wunderbar ruhigen Nacht, stehen wir hochmotiviert auf und schlendern zum Haupthaus zum leckeren Frühstück! Heute trennen sich die Wege von meinem Mann und mir. Er will be- und ich aber entschleunigen ... nicht kompatibel ;-)
Er wird kurz vor 10 von Snowfun zur Schneemobil-Safari abgeholt, da kann er Gas geben. Ich hingegen leihe mir für 15 € Schneeschuhe vom Hotel aus und die Hotelchefin zeigt mir auf der Karte verschiedene Touren. Ich entscheide mich für die Tour auf's Kuer-Fell. 2 Stunden einfacher Weg. Puh, da hab ich schon ein bisschen Bammel, hab ich doch erst einmal auf Schneeschuhen gestanden und empfand diese Art des Gehens doch als ziemlich anstrengend... 
Zunächst muss ich aber zum Startpunkt kommen und laufe ganz normal auf dem verschneiten Gehweg 1/4 Stunde bis zur Kirche. Dahinter beginnt der Trail durch den Wald, jedoch laufe ich erst einmal ohne die Schneeschuhe weiter, der Boden ist relativ fest und ich komme gut voran. Es ist total warm (-7 Grad) und man kommt schnell ins Schwitzen. Nach einer 3/4 Stunde ziehe ich dann die Schneeschuhe über. Es ist so herrlich ganz alleine durch den Winterwald zu laufen, immer wieder halte ich an zum Fotografieren. Die Baumskulpturen mit Schnee bedeckt sind ein Genuss für meine Augen, die Stille ist Entspannung für meine Ohren und diese klare frische Luft ist Balsam für Nase und Lunge... Seelenstreicheln - so fühle ich mich. Leider melden sich bald meine Füße... da meine Schuhe etwas zu groß für mich sind und die Fußhaltung beim Schneeschuhwandern anders als beim normalen Wandern ist, haben sich an beiden Fersen Blasen gebildet, das tut verdammt weh. Aber weit kann es bis zum Gipfel nicht mehr sein - ich beiße mich durch, aufgeben ist nicht!! Nach insgesamt 1 1/2 Stunden komme ich oben an, es weht ein starker und auch eisiger Wind. Der Ausblick ist einfach nur phantastisch! Ich mache einige Fotos und beschließe, wieder zurück zu gehen und irgendwo, wo es windstill ist, eine Rast zu machen. Das Gehen wird fast unerträglich mit den Blasen und ich lenke mich mit dem Betrachten des Winterwaldes ab. An einer schönen Stelle trinke ich dann erst einmal eine Tasse Tee und esse etwas, dann Schuhe aus und Pflaster auf die Blasen. Schade, das bringt auch nicht viel. Ein Stück weiter unten ziehe ich dann die Schneeschuhe wieder aus - egal wie ich laufe, es tut immer weh. Da bleibt nur eines: ganz schnell laufen, dann bin ich schneller in unserer Hütte
;-) Gesagt, getan. Ich laufe schnell nach Hause und ich bin froh, als ich endlich aus den Schuhen herausschlüpfen kann. Es war trotzdem eine richtig schöne Tour (insgesamt 3,5 Stunden)!
Mein Mann kommt auch gut gelaunt von der Schneemobiltour zurück - und unverletzt ist er auch
 
Und dann mache ich etwas, wozu ich zu Hause nie komme: Mittagsschlaf!
:-)
Abends wird wieder lecker gegessen und mit unseren Schweizern gequatscht. Danach bleibt uns nur noch, den Tag richtig Finnisch abzuschließen: mit mehreren Saunagängen

 

Montag, 7.1.18
Was für ein schöner Tag - klarer Himmel, frische Luft und -12 Grad... perfekt!
Das einzig unangenehme sind meine Blasen an den Fersen, doch netterweise bekomme ich von einem anderen Hotelgast Blasenpflaster - das macht das Gehen zwar nicht gut, jedoch etwas erträglicher. Nach dem Frühstück leihen wir uns einen Tretschlitten (ich sitze, Mann tritt ;-). Um ins Dorf zu kommen braucht man ca. 30 Minuten, mit dem Schlitten nur 10 - außerdem macht es Spaß und man muss ja alles mal ausprobieren, was die Finnen uns so vormachen
:-)  Im Örtchen wollen wir nur ein paar Souvenirs und im Supermarkt etwas zu essen kaufen. Der Weg hin und zurück ist einfach toll, das Licht heute ist phantastisch und der gesamte Weg führt am See entlang, einfach herrlich.
Um kurz vor 13 Uhr werden wir zum Langlaufski-Kurs abgeholt. Wir sind nur 4 Personen in der Gruppe, total angenehm so eine Kleingruppe! Nachdem wir mit der Ausrüstung versorgt wurden (die Schuhe sind hinten weich und somit perfekt für meine Blasen!) geht es zu Fuß auf den See. Unser Guide macht die Einführung super, er führt uns Schritt für Schritt an die Technik heran und so dauert es gar nicht so lange und wir gleiten auf den schmalen Skiern über den zugefrorenen See. Wenn man mal den Rhythmus raus hat ist es wirklich wunderschön und man kann dieses Gleiten einfach nur genießen! Solange die Spurrillen da sind, ist alles kein Problem - aber als ich bergab ohne die Rillen fahren soll, bekomme ich doch etwas Bammel - ich bin noch nie Abfahrt gefahren, der sogenannte "Pflug" ist mir also fremd... es klappt aber trotzdem und ich lande sogar unten direkt wieder in den Rillen - Glück gehabt. Wir fahren bis knapp 15 Uhr, die Dämmerung setzt ein. Es war anstrengend, hat aber total Spaß gemacht! 
Zuhause machen wir erst einmal zum Entspannen ein Kaminfeuer, gemütlich davor ein Buch lesen... Hygge pur!
Nach dem Abendessen wieder Saunieren mit Barfuß-im-Schnee-Laufen - ich kann mich daran gewöhnen!
Und dann ... ich liege im Bett und lese, da schaltet mein Mann kurz auf "Seita-TV" (vom Hotel eingerichteter Sender, um zu sehen, ob draußen Polarlichter am Himmel sind) und ruft: "Auroooooora" ... wie der Blitz ziehe ich Schneehose, Fleece und Jacke über den Pyjama. Wir rennen mit Kamera und Stativ zu einem geeigneten Punkt... und sie erscheint - Lady Aurora gibt sich die Ehre ... gigantisch, sie ist überall um uns herum, auch über uns - es ist ergreifend schön. Ich bin überwältigt. Vor allem war in der Aurora-App keine Rede davon... also: immer Augen auf und: vertraue nie einer App!!!

Dienstag, 8.1.19
Auch dieser Tag verspricht mit zunächst wolkenlosem Himmel, herrlich zu werden. Heute steht das Eisangeln an, zum Ziel kommen wir mit dem Schneemobil. Wie auch letztes Jahr macht das Fahren mächtig Spaß und wir fahren 25 km bis zum Luoso-See. Es sind -17 Grad, die Landschaft ist unglaublich schön und das Licht heute einfach phantastisch. Die Sonne beleuchtet den Hügel mit den verschneiten Bäumen, das Licht reicht von rosa bis lila auf der einen Seite, dreht man sich in die andere Richtung kommen verschiedene Orange- und Gelbtöne zum Vorschein. Nach einer Stärkung mit heißem Beerensaft und Kuchen geht es raus auf den See und zunächst wird das ausgelegte Netz eingeholt und danach dürfen wir Löcher bohren und selbst die Minirute hineinhalten. Dass es dabei um den Spaß, das Zusammensein, das Erlebnis in der Natur geht und nicht darum, unbedingt einen Fisch zu fangen, muss ich wohl nicht schreiben... und so ist auch keiner enttäuscht, dass nichts beißt, sondern alle sitzen zufrieden danach in der gemütlichen Hütte bei der hausgemachten leckeren Fischsuppe und den selbst gemachten Brötchen.
Zurück geht's wieder mit dem Schneemobil durch den schönen Winterwald, unterwegs halten wir und können ein paar Rentiere beobachten, die nach Futter suchen. 
Wieder in Äkäslompolo angekommen besuchen wir noch den Souvenirshop. Doch ich merke, dass etwas mit meinem Fuß und der Blase nicht stimmt... Die 20 Minuten nach Hause zu laufen ist sehr schmerzhaft und als ich die Schuhe ausziehe, sehe ich die Bescherung: die Blase am linken Fuß hat sich total entzündet
L Von den Schweizern im Nachbarhaus leihen ich mir Desinfektionsspray und der Saunagang bleibt heute leider aus. Ich habe großen Bammel, dass es bis morgen nicht besser ist, da steht doch das Highlight des Urlaubs an: die Huskytour.

Mittwoch, 9.1.19
Blasencheck... rechts gut verheilt, links... wir reden besser nicht darüber! Aus dem Gummi eines Sitzkissens (genau für diese Zweckentfremdung im Supermarkt gekauft) und Tape bauen wir mir eine Spezial-Fersen-Konstruktion und ich kann zumindest wieder einigermaßen laufen. Wir sind die einzigen Teilnehmer für die Ganztages-Huskytour (jipiii) und werden direkt zu Juho gebracht. Es ist eine superkleine sympathische Huskyranch mit nur 26 Tieren (plus ein paar Welpen). Wir helfen Juho, den Tieren die Geschirre anzuziehen und sie vor die Schlitten zu spannen. Jeder hat seinen eigenen Schlitten mit vier Hunden - meine Gang besteht aus Siska, Fighter, Eto und Robert - ich liebe diese Fellknäuel :-)

Der Trail beginnt direkt hinter dem Haus und gefällt mir sofort. Meine einzigen Gedanken sind: "Mein Gott ist das schön!" Die Landschaft ist einfach atemberaubend, ich fühle mich großartig hier zu sein, dieses Erlebnis in der Natur mit diesen wunderbaren Tieren zu haben, fühle mich gleichzeitig winzig in dieser Weite (wir fahren durch die größte Sumpflandschaft Europas), es ist grandios! Gaaaanz tief diese frische Luft einatmen! Wir fahren durch die Taiga, über Seen, durch die Sumpflandschaft und durch Wälder. Der heute früh noch wolkenverhangene Himmel klart auf und wir haben bestes Wetter. Nach ca. 30 km machen wir an einer mitten in der Wildnis von Johu gebauten Hütte Halt. Zuerst bekommen die Hunde etwas gefrorenen Fisch, dann machen wir draußen Feuer. Felle werden auf die Holzbalken gelegt und Johu bereitet unser Mittagessen zu, einen Mix aus Gemüse, Kartoffeln und Rentierfleisch, sehr lecker! Der heiße Beerentee - von seiner Schwiegermutter selbst gemacht - schmeckt natürlich hier draußen nochmal besser und ich bekomme nach dem Essen sogar noch einen Kaffee über dem Feuer gemacht. Es ist urgemütlich!! Von den Finnen kann man wirklich das Entschleunigen lernen - und sie haben eine ehrliche und erfrischend natürliche Einstellung zum Leben. Irgendwann wird es Zeit, wieder aufzubrechen, bevor es für die Rückfahrt zu dunkel wird. Die Temperaturen haben von -6 auf -17 Grad angezogen, gut für die Hunde! Wir sind erst die zweiten Besucher, die den neuen Trail fahren dürfen (und wir werden zur Vorsicht ermahnt, da gestern jemand mit dem Schlitten gestürzt ist). Das Licht ist jetzt einfach unglaublich - auf der einen Seite schimmert der Horizont in gelb und orange, auf der anderen Seite gehen Rosa und Lila in das Blau des Himmels über... die nordischen Farben zeigen sich in ihrer ganzen Pracht und ich genieße diesen Anblick, präge ihn mir ein. Ich genieße die Natur, sauge alles in mir auf... während der Fahrt schaffe ich es, mein Handy herauszuholen und ein paar Bilder zu machen. Finger abgefroren, aber egal
:-) Nach weiteren 15 km kommen wir wieder auf der Ranch an, schnallen die Geschirre ab und bringen die Hunde zurück zu ihren Plätzen. Insgesamt waren wir 5 Stunden draußen unterwegs.
Johu lädt uns noch in sein Haus auf eine heiße Schokolade ein ... und zeigt uns noch die 5 Wochen alten Welpen... ich bin verliebt, einer schläft auf meinem Schoß ein :-)
Mein Mann kann mich aber noch abhalten, ihn einfach mit zu nehmen … ;-)
Danach werden wir ins Hotel zurück gefahren - ich bin restlos begeistert von diesem Tag und bis ins tiefste Innere ungemein ruhig und zufrieden.

 

Donnerstag, 10.1.19
Heute haben wir nichts geplant. Das ist auch gut so, wie es sich später herausstellt. Es ist zwar nicht kalt (-7 Grad), jedoch ist der Himmel wolkenverhangen, es ist Schnee vorausgesagt und die Hotelchefin warnt uns vor dem sehr starken Wind und dem aufkommenden Sturm. Nach einem gemütlichen Frühstück und Schwätzchen mit den anderen Hotelgästen, machen wir uns um 11 Uhr auf und wandern zur Navettagalleria, einem kleinen Café im Wald. Dort genießen wir heißen Beerensaft, bevor wir weiterlaufen. Wir möchten zu den Rentieren im Wald, wo ich auch letztes Jahr war. Der Weg geht kreuz und quer durch den Wald, es wird richtig stürmisch, der Schnee fliegt uns nur so um die Ohren. Irgendwie finden wir das Schild nicht, das uns zu den Rentieren führen würde... sehr schade. Wir laufen weiter durch den Wald Richtung See. Dort angekommen, ohne die schützenden Bäume, trifft uns nun der Schneesturm. Wir können kaum noch etwas sehen. Der Wind pfeift heftig und wirbelt den Schnee durch die Luft, man kann die Augen kaum offen halten. Bin ich froh, dass ich meine Skibrille dabei habe. Sieht doof aus, aber so kann ich ohne Probleme über den See laufen und es macht sogar richtig Spaß. Wie gut, dass wir wissen, in welche Richtung wir gehen müssen, denn als wir über den See laufen, sehen wir irgendwann gar nichts mehr. Wir kommen im total zugeschneit im Dorf an, gehen noch ein bisschen shoppen und danach noch gemütlich einen Kaffee trinken, bevor wir uns wieder in den Schneesturm wagen, um nach Hause zu laufen. 
Insgesamt sind wir ca. 10 km gelaufen, das langt nun - vor allem meine Blase ist dankbar, dass ich die Schuhe ausziehe und nach näherer Betrachtung beschließen wir, heute Abend nun doch nicht an der nächtlichen Schneeschuh-Wanderung teilzunehmen - dann könnte ich morgen wahrscheinlich nicht mehr richtig laufen. Abends freuen wir uns ein letztes Mal über das leckere Abendessen und genießen in vollen Zügen den Saunagang. Danach ist leider schon wieder packen angesagt - morgen geht es wieder nach Hause.

 

Wir sind unheimlich dankbar und zufrieden, dass wir diese tolle Reise machen durften, haben für uns die kurze Zeit optimal genutzt und genossen, hatten an den meisten Tagen bombastisches Wetter und herrliche Erlebnisse mit tollen Menschen... wir sind total entspannt und hoffen, dass wir einen Teil dieses entschleunigten Lebens mit uns nehmen können. Kiitos!